Wiege der Gesundheit

Der französische Geburtshelfer Michel Odent beforschte die Erhaltung der Gesundheit und ihren Zusammenhang in der Ausbildung eines primären Gesundheitsgerüstes. Seit 1984 wird von ganzheitlich denkenden Forschern an dieser Theorie des primären Anpassungssystems gearbeitet.

Danach ist jeder Mensch mit einem genetischen Grundgerüst zur Ausprägung des Nerven-, Hormon- und Immunsystems ausgestattet, welches aber im Prozess der primären Anpassung (Adaption) stark beeinflusst werden kann. Dieser Reifungsprozess ist jedoch spätestens am Ende des zweiten Lebensjahres abgeschlossen. In welchem Gleichgewicht es sich befindet steht dann fest und ein Grundstein für die künftige Gesundheit des Menschen ist gelegt.

Was ein Kind im Mutterleib und in den ersten neun Lebensmonaten an Beziehung erlebt, wirkt sich auf das Gesamtsystem der primären Adaption aus. Die physiologischen und emotionalen Reaktionen werden im Gehirn geprägt und Regulationsgewohnheiten formen sich aus. Dieser Prozess ist dann im Gleichgewicht, wenn Reize erkannt und gezielt beantwortet werden.

Im Umgang mit einem Säugling bedeutet dies, dass die Betreuungsperson zuverlässig, sensibel und adäquat auf die Bedürfnisse, wie Nahrung (Stillen), Körperkontakt und Schutz vor Reizüberflutung eingehen sollte. Ausgeprägter Stress in der Entstehungszeit der primären Anpassung reduziert die Möglichkeiten der psychischen und physischen Selbstregulierung. Das kann die Stresstoleranz lebenslang reduzieren.

Starke Erlebnisse stellen besonders unauslöschliche Erinnerungen dar. Es ist bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen dauerhaft hohem Cortisol Spiegel und emotionalen Störungen wie Angst, Depression, ADHS, Alkoholismus und Ess-Störungen besteht. Im Immunsystem ist z.B. die Lymphozytenbildung durch erhöhte Cortisolwerte gestört, was eine gesteigerte Infektanfälligkeit mit sich bringt. Der Immunwiderstand wird durch Stress unterdrückt.

Voraussetzungen für eine gute primäre Anpassung sind dann gegeben, wenn die werdende Mutter auf sichere soziale Bindungen vertrauen kann und über ein soziales Unterstützungsnetz verfügt. Ist sich die Schwangere ihrer inneren Ressourcen bewusst, kann sie Probleme mit mehr Selbstvertrauen meistern. Ist die Stresstoleranzschwelle der Frau niedrig, sollten aggressive Reize aus der Umgebung auf ein verkraftbares Maß reduziert werden.

Macht das Kind die Erfahrung einer natürlichen Geburt und wird es gestillt, ist dies ein weiterer Schritt in eine gute primäre Anpassung. Erlebt es eine zuverlässige, liebevolle Zuwendung und Körperkontakt, weist es nur einen niedrigen Spiegel des Stress regulierenden Hormons Cortisol auf. Der Körper reagiert darauf mit vermehrter Bildung von Cortisolrezeptoren. Dieses Kind hat dann bis ins Erwachsenenalter eine ausreichende Anzahl der Rezeptoren und eine gewisse Resistenz gegen Stressbelastung. Das Zusammenspiel des psychoneuroendokrinologischen Systems befindet sich im Gleichgewicht.

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